eBlog: Strommangellage und Elektromobilität: richtig einordnen, Potentiale erkennen und nutzen
Der Schweiz droht ein Stromengpass. Der Aufruf nach Einsparung ist richtig, die Forderung nach Elektromobilitätsverboten oder Abschaltungen hingegen weder sinnvoll noch zielführend. Richtig eingesetzt kann die Elektromobilität dank der Batteriespeicher ab sofort einen Beitrag leisten und damit Teil der Lösung sein.
Richtig einordnen
In der aktuellen Diskussion rund um den drohenden Stromengpass sind nur die rein elektrischen Fahrzeuge von Relevanz. Der derzeitige Anteil an der Fahrzeugflotte beträgt, entgegen anders lautenden Berichterstattungen, rund 2.1%. Berücksichtigt man auch PlugIn-Hybride, welche am Netz geladen, aber zur Not auch ohne Strom auskommen, kommt man auf rund 3.3%. Laut der Gesamtenergiestatistik konsumierten Elektroautos im Jahr 2021 800 TJ, respektive umgerechnet 222 GWh Strom. Dies entspricht bei einem Gesamtenergieverbrauch von 58.1 TWh knapp 0.4% des Stromverbrauchs der Schweiz. Rechnet man das diesjährige Marktwachstum mit ein, verbrauchen Elektroautos lediglich eine Strommenge im Promillebereich. Zum Vergleich: auf die Beleuchtung entfallen über 12%.
Einschränkungen für Elektroautos oder Ladestationen sind somit weder verhältnismässig noch von signifikantem Nutzen. Hingegen ist Sparsamkeit durchaus angebracht, auch bei der Mobilität. Es lohnt sich zum Beispiel, energiebewusster zu fahren oder auch auf nicht zwingend nötige Fahrten zu verzichten.
Potentiale erkennen und nutzen
Obwohl der bisherige Stromverbrauch der Elektromobilität noch vernachlässigbar ist, bieten sich Elektroautos und Ladestationen bereits heute als Teil der Lösung an. Seit längerem können einige, in naher Zukunft viele Elektroautos die Funktion eines kurzzeitigen Stromspeichers übernehmen und bei Bedarf Energie ans Gebäude oder ans Netz zurückgeben. Vehicle-to-home, respektive vehicle-to-grid werden in der Energiestrategie zunehmend eine wichtige Rolle spielen.. Nebst der Bewältigung des kurzfristigen Speicherbedarfs können Elektroautobatterien damit auch zur Netzstabilisierung beitragen. Genau deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, den Markthochlauf dieser Technologien zu fördern. Ein entsprechendes Postulat wurde kürzlich dem Bundesrat zugestellt, er beantragt die Annahme. Über die Beantwortung des Postulates hinaus braucht es nun rasch zielführende Rahmenbedingungen.
Eine Vielzahl der Ladestationen ist bereits heute fähig, digitale Signale zu empfangen, zu verarbeiten und somit die Last zu regeln um das Stromnetz zu stabilisieren. Dies funktioniert sowohl mit normalen Langsamladern (AC) wie auch mit sogenannten Schnellladern (DC). Bidirektionale Ladestationen erhöhen die regelbare Leistung, weil sie neben der Ladung auch Strom zurück ins Haus oder ins Netz zurückspeisen können (vehicle-to-home oder vehicle-to-grid). Ladestationen haben den grossen Vorteil, dass sie regelbare Lasten unverzüglich und dezentral zur Verfügung stellen können.
Aus Gründen der Netzstabilität wurde in Italien die Regelfähigkeit von elektrischen Anlagen ausgeschrieben. Wer bei kritischen Situationen den Strombezug reduziert, wird entsprechend vergütet. Leider warten wir in der Schweiz seit Jahren auf solche Möglichkeiten für die Elektromobilität. Erste Verteilnetzbetreiber in der Schweiz werden in Kürze - eben wegen der besagten Technologien - fähig sein, solche Angebote an Ladestationsbetreiber zu richten. Mit einer beschleunigten Digitalisierung der Stromnetze muss nun dringend die Basis für die grossflächige Anwendungen im Regelenergiebereich gelegt werden. Das haben Bundesrat und Energiebranche bisher leider verschlafen. (Siehe 22.3321 | Strommnetzstabilität zu geringen Kosten durch Einbindung von mittleren und kleinen Teilnehmern im Regelenergiemarkt | Geschäft | Das Schweizer Parlament)